Kuscheltherapie gegen Hitze


In der Stadtgärtnerei Zürich, einem mir bis anhin unbekannten Ort, fühle ich mich gleich geborgen. So sehen auch die meisten anderen Menschen zwischen den Pflanzen aus, um mich herum. Ganz anders geht es Jonathan, dem Protagonisten aus dem Debütroman «Hitzewelle» von Fabienne Maris. Bei ihm dominiert der Beton. Jonathan wohnt in einem tristen Wohnblock am Stadtrand. Er mag den Himmel am liebsten grau, doch seit Tagen ist er strahlend blau. Eine Hitzewelle setzt der Stadt zu, das Wasser wird knapp und der Strom setzt aus. Das dystopisch anmutende und hochaktuelle Setting, die Krise, führt den Gewohnheitsmenschen Jonathan zu neuen sozialen Kontakten und aus seiner Lethargie.

Jonathan ist ein stiller Beobachter. Scheu, weniger einsam als allein. An der Ladenkasse im Supermarkt wird er von Laura mit den roten Fingernägeln auf seinen Geburtstag angesprochen. Seine Treuekarte hat ihn verraten. Erschrocken stellt Jonathan fest, dass er zum ersten Mal in seinem Leben den eigenen Geburtstag vergessen hat. Das kann als Warnsignal verstanden werden, verbunden mit den Fragen: Wie verhindert man eine soziale Isolierung? Und wie findet man die Verbindung zu seinem ursprünglichen Ich wieder? Die Autorin sagt im Gespräch mit dem Moderator Simon Leuthold, dass sie während der Entstehung des Romans voller Unglauben von der Kuscheltherapie und dem Ministerium für Einsamkeit (in England) gelesen hat. Im Text werden diese institutionelle Ansätze verhandelt und als gutgemeinte, aber hilflose Versuche festgemacht.

Fabienne Maris, oder Larissa Tschudi, wie sie mit bürgerlichem Namen heisst, liest mit heller und deutlicher Stimme die kurzen, sachlichen Sätze ihres Romans. Die angenehme Gesprächsatmosphäre wird immer wieder aufgefrischt mit ihrem herzhaftem, lautem Lachen. Das tut gut – wir werden auch ganz schön durchgeschwitzt von der schwülen Gewächshauswärme. «Cool down city» heisst die aktuelle, besuchenswerte Ausstellung der Stadtgärtnerei. Und das passt, auch wenn «Hitzewelle» keine reine Climate Fiction ist, ausgezeichnet zu diesem Roman.


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