«Auf See» auf dem Zürichsee


Eine Lesung auf einem Schiff, wieso denn das?! Die Frage müsste wohl lauten, wieso eigentlich nicht, wenn man schon ein Buch schreibt, das Auf See heisst.

Im Roman von Theresia Enzensberger geht es unter anderem um Orte, die woanders sind. Um isolierte Orte, an denen bessere Ideen besser gedeihen können – oder sollten. Man hat es mit mehr als einer Perspektive zu tun, deswegen liest Enzensberger auch je ein Kapitel aus Yadas Sicht und eines aus Helenas. Zu Beginn des Buches befindet sich die eine Protagonistin mit ihrem Vater auf der Seestatt in der Nordsee, die andere, Helena, in einem (post-)apokalyptischen Berlin.

Die Moderation durch Shantala Hummler, ist, obwohl zwischenzeitlich beeinträchtigt durch Seekrankheit, scharfsinnig und genau. «Ist es denn ein aktivistischer Roman?», fragt Hummler mit dem Gedanken an Rezensionen, die solches behaupten.

«Es ist kein politischer Roman, obwohl Politisches darin vorkommt. Nur, weil es zwei Protagonistinnen sind, ist er auch nicht gleich feministisch.» Enzensbergers Einstellung zur Sache ist klar.

Man ist gut versorgt auf dem Schiff, in dessen Bauch wir sitzen. Die Tische sind weiss gedeckt, mit richtigem Besteck. Weingläser und Sandwiches stehen bereit. Nur nach vorne schauen darf ich nicht zu lange, weil auch mir sonst schwindelig wird (vielleicht ist das der Grund für die wenigen Schiff-Lesungen). Stattdessen blicke ich nach vorn aus dem Fenster, beobachte den Sonnenuntergang und höre Enzensbergers gleichmässiger Stimme einfach nur zu. Ich muss zugeben, die Atmosphäre in Verbindung mit der Lesung aus dem Buch hat einen interessanten Effekt. Als das Schiff wieder anlegt, wird einem die Schwelle zwischen «uns» und den am Bellevue «Zurückgebliebenen» bewusst und auch die Reise, die unser kleines Grüppchen zurückgelegt hat. Wer das Buch gelesen hat, weiss, dass diese Realisation ziemlich ironisch ist; Groupthink, Sekten, Gurus und Apokalypsen-Prepper kommen nämlich darin auch vor.

Wirklich Sci-Fi soll Auf See nicht sein, eher ein Gothic-Novel, erklärt Enzensberger. Die Weltuntergangsstimmung, die im England des 19. Jahrhunderts herrschte, das habe sie interessiert. Die Fragen, die dadurch aufgeworfen werden, sind hochaktuell und relevant im rezessionsgeplagten Jetzt, selbst wenn sie nicht abschliessend beantwortet werden. Das Buch und das Gespräch regen auf jeden Fall zum Denken an.


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