Wegschauen – Wegerzählen

„Der böse Wolf muss vorkommen!“ So die Forderung ihrer Kinder, als die bisher als Romanautorin bekannte Dana Grigorcea zu einer Erzählung ansetzt, die beim Einschlafen helfen soll. Das daraus hervorgegangene Bilderbuch erfüllt, wie die Autorin in der Solothurner Mittagshitze versichert, durchaus seinen Zweck als Einschlafhilfe – aber vom bösen Wolf keine Spur. Ein struppiges, kleines, geradezu bemitleidenswertes Geschöpf präsentiert sich stattdessen dem Leser im Mondlicht. Das den kleinen Wolf am Einschlafen hindert.

„Mond aus!“ heisst die Geschichte, die sich damit dem Paradebeispiel performativen Sprechens („Fiat lux!“) entgegenstellt. Der Speech Act scheitert, die Forderung ist absurd.  Der Mond geht nicht aus. Er hält die wölfische Natur wach, macht sie schlaflos, wie es seine kulturhistorische Aufgabe ist. Kann Sprache vielleicht doch nichts tun? Am Schluss scheint der Mond nämlich immer noch. Es bleibt nur, die Augen zu schliessen, um sich seinem Licht zu verweigern.

Wir können am Licht nichts ändern, in dem wir stehen, sogar wenn es nicht einmal ein echtes ist, ein reflektiertes, verzerrendes. Der Wolf tritt hier nicht als die Bestie auf, wie man sie aus Fabeln und Märchen kennt – darauf wird sogar verwiesen. Nicht ohne Grund ist wohl ‚Rotkäppchen‘ die Bettlektüre des schlaflosen Wolfes. Übergrosse, mit Zähnen bewehrte Frösche halten ihn wach mit ihren geistlosen, repetitiven Lauten. Und das Licht, dass das Wölfische ausleuchtet ist nicht auszukriegen. Keine Verschleierung hilft, Wolken ziehen weiter, sogar die Weisheit, die Schwingen der Eule, vermögen nur ein kurzes Verdecken zu erwirken. Einzig dem Schwan, der Dichterchiffre, gelingt es zumindest die Reflexion des Mondlichtes im Wasser zu verdecken – immerhin. Kann Literatur nur die Reflexion einer ideologischen Beleuchtung beeinflussen? Schlussendlich ist es Mama Hase, die eine fruchtbare Idee vermittelt: „Augen schliessen.“ Ist das der Trick? Wegschauen, um sich dem Zwang eines verfälschenden Lichtes zu entziehen?

Dennoch, all das steht in einem Buch und das ist, was eine Geschichte leistet. Und nicht zufällig sind es die Grillen, die noch zu den ewigen Sternen zirpen, als der kleine Wolf endlich schläft. Grillen sind es, die zwanghaft tradieren und neurotisch erinnern, dass auch ja keiner den Trick vergisst, der beim Einschlafen hilft. Das Konzept ist bekannt – damit kann man auch fiese schwarze Spinnen in einen Holzbalken hinein erzählen.