Rolf Hermann: Flüchtiges Zuhause

Rolf Hermann: Flüchtiges Zuhause

Schweizer Spiegel?

Der bisher als Dichter und Spoken Word-Autor hervorgetretene Rolf Hermann, der seine Texte in Mundart verfasst, publiziert seinen ersten Erzählband – auf Hochdeutsch. Viel mehr Überraschungen hat das schmale Buch dann auch nicht zu bieten. Möchte es offenbar aber auch gar nicht.

In sieben kurzen Erzählungen bietet der dem Autor offenbar nicht unähnliche Erzähler sieben Momentaufnahmen aus seinem Leben, die zum Teil Jahrzehnte auseinanderliegen. Ein Hauptthema von «Flüchtiges Zuhause», dessen Titel aus einer Rede Paul Nizons entlehnt wurde, ist schwer auszumachen, ohne die ganz grossen Themen wie Raum und Zeit respektive Wandel und Dauer zu bemühen.

In der ersten Erzählung denkt der Erzähler an die Zeit zurück, als er als Zehnjähriger Zeuge eines Waldbrandes wurde und daraufhin Albträumen heimgesucht wurde. Im Verlauf der Erzählungen lernen wir vier Generationen seiner Familie kennen ///Die Geschichte muss anschaulicher erzählt werden///

Der Grossteil der Erzählungen besteht aus unspektakulären, wohlbekannten Alltagssituationen, mit denen sich die Lesenden identifizieren können. Diese Situationen vermag Rolf Hermann, der sich gerne einer bildhaften Sprache bedient, in angenehm zu lesende Sätze zu packen. Es ist von einer fürsorglichen Mutter die Rede, welche die Interessen ihrer Familienmitglieder über die eigenen stellt, die nicht gerne für längere Zeit in fremder Gesellschaft ist und von einem Heimatgefühl geprägt ist, sodass sie es sich nicht vorstellen könnte im Ausland zu leben. Es wird von einem Vater erzählt, der zum Entsetzen seiner Ehefrau einmal in Erwägung zog, eine Anstellung in Marokko anzunehmen und hin und wieder von den allzu bekannten flachen Papa-Witzen Gebrauch macht, indem er beispielsweise die Ortschaft Albinen spasshalber Albanien nennt. Es ist von lebhaften Knaben die Rede, die gerne schnell Skifahren und ein kleines Kätzchen aus den Fängen eines Katzenmörders namens Johann retten möchten. Es kommen Frauen, die einkaufen vor, Männer, die Sport im Fernseher gucken, ein Autor, der beim Wandern Höhenangst verspürt. Es werden Ereignisse geschildert, die den Lauf der Welt keineswegs beeinflussen, für den Einzelnen jedoch einen gravierenden Einschnitt in die persönliche Biografie darstellen oder zumindest eine prägende Wirkung haben können, wie das Aufgeben einer geliebten langjährigen Arbeit am Rebberg oder die Angst um die eigene Mutter nach einem erlittenen Skiunfall. Es wird eindrücklich das Gefühl vom Älterwerden vermittelt. Oder das Gefühl, wenn man in ein Alter kommt, in welchem man zur Stütze der eigenen Eltern oder Grosseltern wird.

Vermutlich wird es keine Lesenden geben, die in Rolf Hermanns «Flüchtiges Zuhause» überhaupt keine Parallelen zum eigenen Leben finden können. Wer auf Liebesdramen, Sex oder Gewalt steht ist, bei Hermanns Erzählband an der falschen Adresse. Es kommt in den Erzählungen noch nicht einmal zu wirklichen Konflikten – selbst mit einem Katzenmörder nicht. Vielmehr liefert der Autor kurze Erzählungen, die Spass machen und nicht mehr geben wollen als einen kurzen Einblick in das Leben in der Schweiz und der Schweizer Mentalität. ///Könntest du die näher bestimmen? Sonst zu pauschal – was ist das Schweizerische, das hier verhandelt wird?///

Diskussion (1)

  1. Lieber Ninib

    Vielen Dank, ein guter erster Versuch, der die typischen Schwierigkeiten zeigt, wenn man einen Erzählband bespricht: Meistens gibt es keinen Fokus, aber ein kurzer Text braucht einen. Formal machst du das sehr gut, dass du zunächst die Fokus-Losigkeit herausstellst und dann doch zaghaft nach Gemeinsamkeiten suchst. Das fällt dann noch etwas zu allgemein aus, wodurch die Rezension als Text die formalen Schwächen des Bandes auf sich nimmt. Hier kannst du also durchaus entschiedener urteilen und zum Beispiel die viel grössere Frage stellen, warum AutorInnen 2019 noch Erzählbände als Buch herausbringen – als Komposition oder als Verlegenheitslösung, um anderweitig nicht mehr unterzubringende Texte zu publizieren? Einige weitere Anmerkungen und Vorschläge im Text,
    herzlicher Gruss,
    Christoph

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