Martin R. Dean: Warum wir zusammen sind

Martin R. Dean: Warum wir zusammen sind

„Warum wir zusammen sind“ von Martin R. Dean ist ein Beziehungsroman. Neben einer wundervollen Liebesgeschichte erzählt er uns Schlaues über das Liebesleben und die gesellschaftlichen Vorstellungen der Reichen und Kultivierten der Gegenwart.

Im Zentrum von „Warum wir zusammen sind“ steht die Beziehung des Ehepaars Irma und Marc. Nach zwanzig Jahren der Ehe beginnt ihre Beziehung zunehmend zu bröckeln. Dialogisch erzählen die beiden abwechselnd in 91 kurzen Kapiteln, wie sie sich voneinander entfernen. Ob es sich hier um eine Trennungs- und nicht doch um eine Liebesgeschichte handelt, bleibt dabei anregend in der Schwebe.

Neben der Geschichte von Marc und Irma behandelt der Roman auch die Entwicklung der Beziehungen fünf befreundeter Paare – alle gut verdienend oder reiche Erben. Während bei Irma und Marc eher allgemeine Probleme einer Zweierbeziehung wie die Erziehung oder eingerostete Kommunikation nach Jahren der Ehe verhandelt werden, spielen bei ihren Freunden die zeitspezifischen Beziehungsprobleme des frühen 21. Jahrhunderts eine grosse Rolle. Polyamoröse Experimente, Untreue und Abhängigkeiten werden genauso thematisiert wie die unendliche Ich- und Körperbezogenheit, Selbstoptimierung und die „Pornografisierung“ der Gesellschaft. Im Gegensatz zu Irma und Marc, deren Liebe noch gewisser Widerstand gegen die Unzulänglichkeiten ihrer Zeit eingeschrieben ist, scheinen ihre Freunde den neuen Umständen ausgeliefert zu sein. Das dialogische Hin und Her der Kapitel erscheint dadurch plötzlich als erbarmungswürdiges „Swipen“ oder „Zappen“ der Orientierungslosen.

Wie in der Liebe scheinen die Figuren auch politisch entwurzelt. So soll ein verlassenes Hotel am Stadtrand zur Spielwiese für die anfängliche Millennium-Euphorie der Freunde werden. „Das Hotel ist als Zukunftslabor gedacht. Die Utopien sind tot, der Klimawandel in vollem Gange. Dagegen müssen wir etwas tun.“, sagt Anatol, der wohlhabende Spender des Hotelprojekts. Die Utopien aber kommen nie im Hotel an. Die anfängliche Begeisterung reisst schnell ab und das Hotel verkommt zum Schauplatz egomanischer Fluchten, bevor es beinahe komplett verwaist. Nicht als Avantgarde der kommenden Gesellschaft stellen sich die Freunde heraus, sondern als Privilegierte auf der Flucht, die die Idee von Solidarität und Gemeinschaft hinter sich gelassen haben.

Während die alternden Freunde alle in irgendeiner Form an ihrer Anpassungsunfähigkeit an die neue Kultur leiden, stellt Matti, Sohn von Irma und Marc, den neuen Typus dar, der als aspirierender Geschäftsmann aus dem Internat zurückkehrt. Die Krisenhaftigkeit der Beziehungen der Alten liegt daran, dass etwas gänzlich Neues in ihr Leben eintritt, das Bestehendes zunächst durcheinanderwirbelte, um es schliesslich neu zu ordnen. Matti hingegen wurde in diese neue Ordnung hineingeboren. Er unterwirft sowohl sein Liebesleben als auch seinen politischen Aktivismus mit einer unheimlichen Lockerheit und ohne jeglichen Sinn für das Utopische den Widrigkeiten.

Dean zeichnet hier vor allem ein wenig schmeichelhaftes Panorama des Beziehungslebens der Reichen und Kultivierten des 21. Jahrhunderts. In seiner Vorliebe für diese Schicht liegt die Hoffnung, dass es möglicherweise eine subalterne Liebe und Solidarität gibt, die literarisch zu erkunden wäre. Sie würde sich wohl nicht zu sehr von jener zwischen Irma und Marc unterscheiden.

Diskussion (1)

  1. Lieber Dino

    Alles klar, eine schöne Rez. mit starkem Willen zur Symptomatisierung, bei der nur noch Kleinigkeiten zu tun sind ///siehe Text///.

    Herzlicher Gruss,
    Christoph

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