Geschichte und Geschichten

 

Im Gespräch mit Claudia Mäser, die für Bücher am Sonntag der NZZ zuständig ist, erzählt Eveline Hasler an diesem verregneten Sonntag, der einlud, es sich im NZZ-Foyer bequem zu machen, wie sie jeweils von der historischen Recherche zur literarischen Fiktion gelangt.

Bevor 1982 ihr erster Roman «Anna Göldin – Letzte Hexe» erschien, hat Eveline Hasler seit den 60er Jahren Kinder- und Jugendbücher geschrieben. Auf «Anna Göldin» folgten weitere historische Romane, wobei Hasler die Bezeichnung Roman nicht zusagt. Ihre literarischen Werke seien genre-mässig schwierig einzuordnen, basieren sie doch auf Fakten, die sie lediglich erzählerisch vermittle. Biografische Annäherung klinge jedoch auch seltsam, meint sie.

Die Vergangenheit fasziniert Hasler, die Geschichte studiert hat. Sich mit der Vergangenheit und Geschichte zu befassen und dies literarisch zu transponieren, stellt für Hasler eine Möglichkeit dar, Geschichten von früher – besonders von ungerecht behandelten und vernachlässigten Menschen wie Anna Göldin – zu transportieren. Ein Akt der Gerechtigkeit: Die Vergangenheit sei schliesslich nicht trennbar von der Gegenwart.

Wie geht man nun jedoch vor, wenn man aus einer riesigen Faktensammlung einen literarischen Text schreiben möchte? Es sei sehr aufwändig, antwortet Hasler. Anderthalb Jahre betreibe sie Recherche, um sich dann nochmals anderthalb Jahre dem literarischen Schreiben zu widmen. Der Beginn des Schreibens sei schliesslich das Schwierigste, denn wie entscheidet man, welche Szenen essentiell sind für die jeweilige Begebenheit? Ihre Verlegerin habe mal zu ihr gesagt: «Du musst alles wieder vergessen, was du gelesen hast.»

Erst mit einem distanzierten Blick sei es ihr deswegen möglich, die Geschichte zu visualisieren und sie dann niederzuschreiben. In ihrem nächsten Leben würde sie gerne Filmemacherin werden, meint Hasler lachend: „Das würde mir glaubs gefallen.“

Dass Hasler gerne Geschichten erzählt, merkte man an ihren oft ausschweifenden Antworten. So musste Mäser sie dann auch am Ende knallhart unterbrechen: gerade, als sie vom Abschnitt, den sie aus «Anna Göldin» vorlas – unter anderem ging es dabei um das Suchinserat für Anna Göldin, das 1782 in der NZZ gedruckt wurde – plötzlich noch einen umgekehrten Vergleich zur Königin von England ziehen wollte und von da weiter zu…wie dem auch sei. Geschichte schreibt schliesslich Geschichten.

Populismus mal ganz entspannt

«Mutig, aber nur manchmal».

Diese Kritik blieb Res Strehle am meisten von seiner Zeit als Chefredakteur des «Tages-Anzeigers» in Erinnerung. So lässt sich auch die Podiumsdisukussion von Strehle und Kuckhart über Populismus und Medien charakterisieren. Im Karl der Grosse diskutierten beide unter der Leitung von Manfred Papst, Feuilletonredakteur der «NZZ am Sonntag». Oder, besser gesagt, sie einigten sich; denn in den meisten Fällen war ihr Gespräch keine Diskussion, sondern ein Austausch gleichgesinnter Meinungen.
Die Merkmale des Populismus, dies sie anfangs diskutieren – Fremdenfeindlichkeit, Unterkomplexität, emotionale Manipulation – sollten jedem bekannt sein, der die Thematik in irgend einer Weise verfolgt hat. Anschliessend wird noch die Unterscheidung zwischen linkem und rechtem Populismus gezogen und die Frage gestellt, ob Populismus manchmal notwendig oder gar etwas Positives an sich haben könnte. Ganz selbstkritisch gab sich Strehle, indem er auch den Hang der Medien zum Populismus thematisierte. Er zog zudem in Erwägung, dass in der Zeit von Clickbaits und ausufernder Likes-Abhängigkeit sich auch die Medien auf einer Gratwanderung befinden. In der zweiten Hälfte der Diskussion faserte der Fokus jedoch aus und wandte sich für ein breites Publikum eher weniger interessanten Themen wie Medienstrategien und Leserbindung zu. Abschliessend nahmen sich Strehle, Kuckhart und Papst noch viel Zeit, um einige Fragen des interessierten Publikums zu aufzunehmen. Am Ende war es an Papst, die Quintessenz des Abends zu ziehen: «Wir wissen auch vieles nicht».
Enrico Ehmann, Theresa Pyritz und Sascha Wisniewski

Für uns bei «Zürich liest»:
Simon Leuthold

Simon Leuthold studiert Zürich und lebt zuweilen in der Deutschen Literatur und Sprache.

Sein kleines ABC: Auster, Boyle, Chomsky, Dürrenmatt, Eggers, Frisch, Goscinny, Herrndorf, Ibsen, Janosch, Kleist (und Kerouac), Lexer, Mitchell, niemand mit N, O’Brien, Poe, Quality Land, Rilke, Seinfeld, Tieck, Unsinnslyrik, Vanitas, Walser (und Wallace), Zürigschnätzletzs.

Aber nageln Sie ihn bitte nicht zu sehr darauf fest. Ein ansehnlicher Teil davon ist nur Angeberei. Genau wie auch seine formschöne Achtzigerjahre-Olivetti.

Im Frühjahr schon beim Blogteam der Solothurner Literaturtage dabei, freut er sich jetzt sehr auf die letzte Oktoberwoche. Wenn ganz Zürich liest, will er wissen, was da alles läuft – und zwar sowohl auf, als auch neben den Bühnen. Besonders gespannt ist er auf den Generationenclash zwischen Franz Hohler und Lara Stoll, sowie auf die Youtube-Session mit dem Feuilleton der NZZ. Er hofft, dass die NZZ die Liste der «Important Videos» kennt.