Matto verliert, Trampeltier regiert

Matto Kämpf ist ein Meister der Pause. Seine neue Band setzt auf Pointen ohne Ende. Ob das fägt?

 

Das Berner Multitalent, nach gefeierten Kolumnen und Beinaheromanen zuletzt im Fernsehen mit  dem Experiment Schneuwly präsent, hat jetzt eine Band. Trampeltier of Love klingen mal nach Musikschule, die eine Treppe runterfällt, mal nach Fabers Zirkuskapelle, mal nach Indie-Dadrock, der sich am eigenen Breitwanddilettantismus berauscht. Die Gratwanderung zwischen Totalschaden und Gesamtkunstwerk ist gewollt. Und meistens sogar richtig gekonnt. Denn während Kämpf als Frontmann eine Art synkopischen Bernrap mit Gröleinlagen und Schunkelrefrains kultiviert und auch als Sänger ein Mann des Wortes bleibt, sind seine drei Mitmusiker  nicht nur performativ, sondern auch technisch versiert. King Pepe, der sich bereits als Solokünstler einen Namen gemacht hat, bildet mit dem Drummer Benjamin Dodell eine verspielte Einheit, die dem mächtigen Sousaphon von Tubist Marc Unternährer kraftvoll gegenübertritt. Das ist laut, das ist lustig.

Auch am Mikro kommen alle zum Zug, neben Spoken Word-Einlagen (Kämpf: «Ein patriotisches und UBS-kritisches Gedicht: Wer ins Ausland geht, ist selbst schuld»), Schunkel-Acapella-Oden an Whiskey und Zigaretten oder der reizend überdrehten Single «Leider ohne Kleider» erfreut die gut fünfzig ZuhörerInnen im Wiediker Kulturmarkt vor allem die Solonummer des hochgewachsenen Tubisten, der, wie einst Laokoon unter den Schlangen, unter seinem gigantischen Instrument ächzend zur Wachsamkeit bei Lebensentscheidungen aufruft: «Augen auf bei der Berufswahl.»

Dass der Funke bei dem in sterile Stuhlreihen gequetschten Publikum erst in der zweiten Hälfte des gut einstündigen Konzertes so richtig übersprang, mochte zu Teilen dem recht kargen Saal geschuldet sein. Dessen latente Jugendzentrumanmutung nahm dem gewollten Improvisationscharakter etwas an ironischer Schärfe. Dass aber das Publikum trotz wohlwollender Anteilnahme oft nicht wusste, wo, wann und warum zu lachen war, ist in Teilen auch dem von Pointen überfrachteten Programm anzulasten: Während man, gerade bei Kämpfs Texten, noch den teils grandiosen, stets mit Understatement vorgetragenen Treppenwitzen nachhinkte oder den ein oder anderen humoristischen Klimmzug nachturnte, waren die Nummern häufig schon wieder vorbei. Da standen sie dann, die vier charmanten Entertainer, und mussten allzu häufig ein paar Schrecksekunden lang auf den verdienten Applaus warten. Der dann aber umso gelöster kam, und überhaupt dürfte es auf Schweizer Kleinkunstbühnen wohl eine Luxussorge darstellen, dass eine Bühne unter dem versammelten Esprit gelegentlich zu kollabieren droht. Dass Kämpfs Talent, gerade durch Dehnung zu grösster poetischer Dichte zu gelangen, solo besser zu Geltung kommt, tut dem infinite jest, den das Trampeltier auf die Bretter bringt, deshalb keinen dramatischen Abbruch. Ein paar Stühle raus, ein paar Verschnaufpausen rein, und das fägt.

Dunschtig has broken

Ein sonniger Morgen im Zürcher Niederdorf. Die Redaktion freut sich auf einen ereignisreichen Lesetag. Neben Mord mit Morf, der Vernissage der Kriegs-Comic-Reportage von Oliver Kugler und des SAYEDA-Bandes über Frauen in Ägypten stehen heute u.a. die Lesung der für den Buchpreis nominierten Martina Clavadetscher, ein Gartenplausch mit Meir Shalev und das Trampeltier of Love mit Matto Kämpf auf dem Programm. Aber auch die junge Literatur, die Buchpremiere von Gion Mathias Caveltys Tag, an dem es 499 Franz Klammers regnete oder Lorenz Langenegger mit Dorffrieden werden unsere Aufmerksamkeit finden. Der Rest wird nicht verraten. Aber gerated. Früher oder später. Viel Vergnügen.