Going home disappointed

Das Theater Neumarkt gleicht bei der Gesprächsrunde zwischen Laurie Penny und Andi Zeisler mit seiner Empore beinahe einer Arena. Und doch wird es Penny und Zeisler an diesem Abend in keiner Weise darum zu tun sein, verbale Kämpfe auszutragen. Es lässt sich fragen, ob der Eindruck vermieden werden möchte, dass die vielfältigen Stimmen innerhalb des feministischen Diskurses auch uneins sein können. Die Moderation von Franziska Schutzbach jedenfalls ist so aufgebaut, dass man gerade so gut zwei Einzelgespräche hätte führen können: Eine Frage an Penny, eine an Zeisler. Die beiden grossen Feministinnen werden so bedauerlicherweise nicht dazu aufgefordert, mehr in ein Gespräch miteinander zu treten und auch darüber zu diskutieren, was sie voneinander unterscheidet. Wenn sie sich von den Fragen etwas entfernen und so etwas wie ein persönliches Gespräch zwischen den beiden entsteht, verkommt der Dialog bisweilen zur Slapstick-Einlage darüber, ob feministische Unterhosen jetzt mit angriffslustigen Zähnen geschmückt sein sollten, und die Rednerinnen bleiben in der Komfortzone des Gebiets, innerhalb dessen sie sich einig sind.

Unverständlich ist schliesslich, weshalb die Moderatorin zwei Bilder zeigt – einmal von den Riot-, dann von den Spice Girrrls – und dazu rhetorisch-süffisant fragt: «What happened?» Viel ist passiert. Und man muss ja sowohl das Riot Girl als auch das Spice Girl in einem Kontext verstehen, der nicht das eine mehr oder weniger politisch als das andere machen würde – von einer Industrie vereinnahmt sind ja sowieso beide.

Genug der Stänkerei: Die Textpassagen, die von der Schauspielerin Oriana Schrage aus den Werken Pennys und Zeislers vorgelesen werden, sind eindringlich und in klarer, gut verständlicher Sprache gehalten. Es wird durch Schutzbachs Fragen etwa evident, weshalb der Begriff der «Rape Culture» vonnöten ist, da sich mit seiner Hilfe erklären lässt, welches Leben als wertvoll betrachtet, welche Personen als glaubwürdig eingestuft werden. Der Hashtag «Me Too» wird kritisch beleuchtet und auf sein Potential hin befragt, das Problem wird benannt, dass Frauen, die am Arbeitsplatz belästigt werden, still bleiben, weil am kapitalistischen Arbeitsplatz ihre Körper Teil davon sind, was «for sale» ist. Penny erklärt ihren Begriff des «Neuen Chauvinismus», der ohne toxische Männlichkeit, Xenophobie und Misogynie nicht zu denken ist und es sich zur Aufgabe macht, nur die «richtigen» Frauen (also weisse Cis-Frauen) zu beschützen – und als Eigentum zu verstehen. Sie räumt mit sexuellen Märchen auf (die verharmlosende Redewendung «boys will be boys» kursiert im Internet momentan unter dem Meme «boys will be held accountable for their actions»), die auch davon zehren, dass Frauen untereinander die Solidarität aberzogen wird: Eher werden sie dazu angehalten, um männliche Aufmerksamkeit zu buhlen. Ihre lebensweltlichen Berichte werden als Klatsch und Tratsch abgetan, und die gleiche Kultur, die den Frauen beibringt, dass sie die Schuld an einer Vergewaltigung zu tragen haben, lehrt dies auch den Männern. Zeisler behandelt das Problem des «Marktplatzfeminismus»: Feministische Sprache und feministisches Gedankengut werden zunehmend für die Produktvermarktung verwendet; man könnte dabei prekärerweise meinen, im Feminismus sei schon alles passiert, was passieren kann. Spannend ist die Frage, welche Forderungen des Feminismus schlicht unvereinbar mit dem kapitalistischen Gesellschaftskonzept seien. Leider bleibt Penny bei der Antwort dann doch eher vage: «social welfare» und das Problem der «unpaid labour».

Der Abend endet damit, dass Penny und Zeisler gebeten werden, uns ihre Vorstellung einer «optimalen Welt» nachzuzeichnen. Das stimuliert sogleich eine lebhafte Diskussion darüber, dass von Feministinnen häufig eine vorgefertigte Lösung verlangt wird, die die beiden aber unmöglich leisten können. Zeisler bemerkt dazu traurig-schwarzmalerisch: «Feminism has a lot to do with going home disappointed.» Zuerst müsse einmal alles festgestellt werden, was falsch läuft. Damit sei man aber noch lange nicht so weit, dass man einen (Denk-)Raum hätte, auf dessen Basis sich eine neue, bessere Welt entwerfen liesse. Negative Energie – das Nachdenken über und wütende Streben wider Fehler des Systems –, so Schutzbach, habe ein grosses Potenzial, kenne aber im kapitalistischen positive thinking kaum einen Platz mehr.

Unsere Utopie jedenfalls hätte folgendermassen ausgeschaut: Mehr Kontroverse zwischen den beiden Feministinnen. Reibungspunkte hätten sie garantiert gehabt. Eine engagiertere Moderation, die so etwas wie ein echtes Gespräch in Gang gebracht hätte. Und vernünftige Fragen aus dem Publikum. Den Typen, der ernsthaft versuchte, die Frauen wegen der falschen Erziehung ihrer Söhne («like little kings») als Ursache des Problems darzustellen, hätte es nämlich wirklich nicht gebraucht. Wir haben uns dafür ein paar Feierabendbier mehr gegönnt.

 

Nadia Brügger und Simon Leuthold