Eine Fliege crasht das Interview.
Julia Weber über das Tierische in «Die Vermengung»

Heute morgen besuchte Julia Weber die Buchjahr-Redaktion im Uferbau und hat mit Severin Lanfranconi über ihren Roman «Die Vermengung» und insbesondere die Bedeutung der Tiere für den Text gesprochen.

Julia, beim Lesen von «Die Vermengung» fallen einem die vielen Tierdarstellungen oder auch Tiermetaphern auf: Da ist zum Beispiel die Figur Ruth mit magischen Fähigkeiten, die andere Menschen in Tiere verwandeln kann, wenn sie mit ihr schlafen: Ein Mann wird zur Languste, eine Frau wird zum Fisch. Was fasziniert Dich so am Tierischen oder an seiner Literarisierung?

Es ist ja so oder so ein allgemein verbreitetes Phänomen, habe ich so das Gefühl oder? Mir ist jetzt gerade Gianna Molinari eingefallen mit dem Wolf in «Hier ist noch alles möglich». Die Tiere stehen denke ich generell für so etwas wie Freiheit oder etwas Unberechenbares.

Und für Dich?

Mir entspricht diese Vorstellung auch. In einer Lesung kürzlich in Thun meinte jemand, dass sich bei mir, bei meiner Sprache und auch jetzt in «Die Vermengung» Menschen, Tiere und Pflanzen auf der gleichen Ebene befinden, dass es keine Hierarchie gibt zwischen diesen Lebewesen, dass sich Tier und Mensch sozusagen auf Augenhöhe begegnen.

Aber ergibt sich das für dich so selbstverständlich, dass die Bilderwelt des Animalischen durchwegs positiv besetzt ist? Das Tierische, Animalische, das Triebhafte kann ja auch bedrohlich sein oder eine destruktive Kraft entfalten.

Ja, das stimmt schon. Es gib aber auch die Seite, dass die animalische Existenz von wesentlichen Sorgen befreit ist, die dem Menschen durch sein Bewusstsein nicht erspart werden können. Also soweit ich weiss, denkt das Schaf zumindest nicht darüber nach, ob es sich wirklich lohnt ein Schaf zu sein. (lacht) Das Tier verkörpert so gesehen auch etwas Unschuldiges, in dem Sinne, dass es nicht so kalkuliert wie wir. Dieser Wunschzustand des Vergessens, zu vergessen, wer man ist und was man noch zu leben hat, verkörpert das Tier extrem. Für mich ist es dieser Wunschzustand, den ich literarisch fassen möchte: Nicht wissen zu müssen, dass man endlich ist und die Sinnfrage an das Leben erst überhaupt nicht stellen zu müssen.

Verkörpert das die Figur Ruth und der poetische Raum, der sie umgibt?

Unbedingt: Auch wenn sich die Menschen bei Ruth verwandeln, geht es ja darum, dass sie vergessen, welches Geschlecht sie haben, welche Geschlechterrolle sie im Alltag spielen müssen. Der Mann, der hart sein muss, die Frau, die weich sein muss – und so weiter.

Es wurde bereits in vielen Interviews und auch in Solothurn das politische und feministische Potential des Romans hervorgehoben. Könnte man sogar sagen, dass Ruth und ihre ästhetische Aura, aus einer philosophischen Perspektive gesehen, ausgesprochen queer-feministisch sind?

Unbedingt, ja! Ich denke, es geht um ein Maximum an Freiheit, ein Maximum an Auflösung von allen diesen Kategorien, die uns in unserer Identität, sei es die sexuelle Orientierung oder was auch immer, in irgendeiner Weise einschränken. Der Queer-Feminismus kommt da dem Buch bestimmt sehr nahe, denke ich …

(Der Interviewer wischt sich hektisch über das Gesicht)

… Aber momentan versucht sich wohl vorallem eine Fliege mit meinem Gesprächspartner zu vermengen. (lacht)

Das vollständige Gespräch lesen Sie demnächst beim Schweizer Buchjahr.

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