Nicht nur ein Nicaragua-Buch

Der Saal des Stadttheaters ist voll – hektisch werden noch die letzten Plätze gesucht und Menschen drängeln sich entschuldigend in die Reihen. Der Erstling der Solothurnerin Regula Portillo mit dem poetischen Namen Schwirrflug interessiert. Sei es, weil sie gerade ein Heimspiel hat oder aber auch, weil ihr Roman Nicaragua behandelt. Nicaragua – eines dieser mittelamerikanischen Länder, das weit entfernt ist, wovon man wenig weiss und wo seit Wochen News generiert werden: Die Rentenreform des neuen alten Präsidenten Daniel Ortega wird nicht goutiert.

Daniel Ortega sei ein Bindeglied in ihrem Roman, meint Portillo, die selber einige Zeit in Nicaragua gelebt hat. Schwirrflug braucht ein solches Bindeglied, denn er spielt zu zwei verschiedenen Zeiten. Im Imperfekt werden die Erlebnisse von Ruth und Markus in den 80er Jahren in Nicaragua geschildert. Im Präsens das Wandeln der Töchter Alma und Judith auf den Spuren ihrer Eltern damals. Die Bindeglieder finden die Kinder nach dem Tod ihrer Eltern in Dokumentationen vom Dachboden und durch die Befragung von Bewohner_innen eines nicaraguanischen Dorfes.

Ohne grosse Effekthascherei liest Portillo aus ihrem Buch. Ihre Sprache und Wortwahl sind klar, die Dialoge bestechen durch ihre Alltäglichkeit und die Figurenzeichnung offenbart eine respektvolle Annäherung an die Thematiken des Romans. Die Falle der pathetischen Revolutionsdarstellung oder deren Bashing umgeht sie geschickt.

„Dies ist ja nicht nur ein Nicaragua-Buch“, sagt sie, womit sie den Nagel auf den Kopf trifft. Während ihrer Lesung wird klar, dass sie es schafft, in einem Band unaufgeregt Themen wie Gleichberechtigung, gut gemeinten Kolonialismus und den Verlust der Eltern respektvoll zu thematisieren.

Nach der schnellen Lesungsstunde ist klar: Die Lust zum Weiterlesen wurde bei vielen von uns aus dem Publikum geweckt.

Mia Jenni

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