Knöcherne Lieder – Bunte Figuren

Noch vor wenigen Monaten haben wir uns nach Martina Clavadetschers Auftritt in Solothurn nach erklärenden Worten gesehnt. Es gab keine Fragen, nur ein hypnotisiertes Publikum, das verstört auf seinen Stühlen zurückgelassen wurde. Liess auch das verspätete Eintreffen der begleitenden Musikerin Isa Wiss dem Kulturhaus-Helferei die Gelegenheit, die Autorin der Knochenlieder vorweg für ein kurzes Interview in Anspruch zu nehmen – aus der Höhle locken liess sich das Ungetüm nicht, das so mancher hinter besagten Gesängen schlummern glaubt. Das Auditorium musste sich mit einer klanglosen Inhaltsangabe eines vorwiegend melodiösen Textes und einer weiteren Frage zum Städtchen Brunnen SZ abfinden – das ist nicht unbedingt das, was uns an diesem Text die Haare zu Berge stehen lässt.

Umso schlagender trifft die Performance. Knöchern ächzt ein unsauber angestrichenes Cello, schallt rustikal angestimmter Gesang durch kahl geschnittene Texte, in denen urzeitliche Beständigkeit und postmoderner Zerfall zusammenprallen. Anadiplosen, Paronomasien, Alliterationen und Diaphern führen durch einen archaisch wuchernden Garten rhetorischer Simplizität. «Wortwiederholung wird zum Weg über die Wiese»; «einfallslose Form folgt hier einfallsloser Form» (den find‘ ich besonders hübsch). Und als geschehe es beiläufig, klingen, weitaus häufiger als man es dem Zufall zutrauen will, hie und da ein altes äolisches Kolon oder anhaltende alternierende Passagen aus den Liedern auf.

Bereits das Manuskript der Knochenlieder gewann im Vorjahr den Literaturpreis der Marianne-und-Curt-Dienemann-Stiftung; das Buch wurde für den Schweizer Buchpreis nominiert.

Dunschtig has broken

Ein sonniger Morgen im Zürcher Niederdorf. Die Redaktion freut sich auf einen ereignisreichen Lesetag. Neben Mord mit Morf, der Vernissage der Kriegs-Comic-Reportage von Oliver Kugler und des SAYEDA-Bandes über Frauen in Ägypten stehen heute u.a. die Lesung der für den Buchpreis nominierten Martina Clavadetscher, ein Gartenplausch mit Meir Shalev und das Trampeltier of Love mit Matto Kämpf auf dem Programm. Aber auch die junge Literatur, die Buchpremiere von Gion Mathias Caveltys Tag, an dem es 499 Franz Klammers regnete oder Lorenz Langenegger mit Dorffrieden werden unsere Aufmerksamkeit finden. Der Rest wird nicht verraten. Aber gerated. Früher oder später. Viel Vergnügen.