Ist die alte Dame zurück?

Seine Ausgangssituation war nicht einfach. Das Buch, aus dem er liest, ist nicht mehr ganz neu. Das Publikum ist mit 22 Nasen eher spärlich bemessen. Und die Moderatorin gibt gleich zu Beginn unverblümt zu, dass sie sein Buch immer noch nicht gelesen habe. Lorenz Langenegger macht das Beste daraus und liest drei Passagen aus «Dorffrieden».

Seine Hauptfigur ist der alternde Dorfpolizist Wattenhofer, der die nicht weiter definierte «kleine Seegemeinde» seit seiner Geburt nie verlassen hat und ein bisschen neidisch ist auf seinen Sohn, der ein rebellisches Leben führt. Sein Leben scheint tatsächlich wie in Watte gepackt. Die Probleme, um die sich der Polizist kümmern muss, sind allesamt lächerlich: Unordnung beim Fahrradständer, die sich als einzelne weggeworfene Zigarettenschachtel entpuppt, und – das höchste der Gefühle – die Autobahneinfahrt muss wegen des Chinesischen Wirtschaftsministers für fünf Minuten gesperrt werden. In besagter Zigarettenschachtel findet Wattenhofer einen Schlüssel, und er begibt sich, plötzlich getrieben wie in einem Fernsehkrimi, auf die Suche nach Hinweisen, was es mit diesem Schlüssel auf sich hat. Und das, obwohl er Fernsehkrimis eigentlich gar nicht mag – den «Tatort» ausgenommen, weil er sich mit den Figuren dort identifizieren kann.

Auch an anderen Bezügen mangelt es nicht: Gegenwärtige politische Situationen (Anti-AKW-Demo, Freihandelsabkommen mit China, China-Tibet-Konflikt) werden kurz und meist leicht ironisch angesprochen, charakteristische Krimi-Elemente werden dadurch, dass eben genau nichts geschieht, in etwas Lächerliches verkehrt, und eine Fabrikantenwitwe, die enorm viel Geld hat und deren ganzes Wesen bei jeder Bewegung «Dürrenmatt!» schreit, hält alle Fäden des Kaffs in der Hand. Nicht auszuschliessen, dass sie auch Wattenhofers «Kriminalfall» von A bis Z inszeniert hat.

Langenegger beweist ein feines Gespür für die Langweiligkeiten des Dorflebens, für die heimlichen Sehnsüchte seiner Figuren und einen scharfen Blick fürs Detail. Der Eindruck, den sein Buch hinterlässt: Langsam, aber kurzweilig, vielleicht etwas überladen mit Anspielungen.

Der 37-jährige Lorenz Langenegger kam durch seine Tätigkeit als Dramatiker zu internationaler Beachtung, Stücke von ihm gewannen bereits diverse Preise, unter anderem bei der Schaubühne in Berlin. In jüngerer Vergangenheit war er am Drehbuch des Luzerner «Tatorts» beteiligt. «Dorffrieden» (Jung und Jung, Salzburg/Wien 2016) ist sein dritter Roman.

Dunschtig has broken

Ein sonniger Morgen im Zürcher Niederdorf. Die Redaktion freut sich auf einen ereignisreichen Lesetag. Neben Mord mit Morf, der Vernissage der Kriegs-Comic-Reportage von Oliver Kugler und des SAYEDA-Bandes über Frauen in Ägypten stehen heute u.a. die Lesung der für den Buchpreis nominierten Martina Clavadetscher, ein Gartenplausch mit Meir Shalev und das Trampeltier of Love mit Matto Kämpf auf dem Programm. Aber auch die junge Literatur, die Buchpremiere von Gion Mathias Caveltys Tag, an dem es 499 Franz Klammers regnete oder Lorenz Langenegger mit Dorffrieden werden unsere Aufmerksamkeit finden. Der Rest wird nicht verraten. Aber gerated. Früher oder später. Viel Vergnügen.