Flurin Jecker sagt siebenmal Nein

Obwohl er zum ersten Mal an den Solothurner Literaturtagen aus seinem Debütroman «Lanz» liest, lässt sich der 26-jährige Flurin Jecker in keine Schubladen stecken. Auf beinahe jede Frage der Moderatorin Karin Schneuwly antwortet er mit einem bestimmten „Nein“ und lässt diese am Schluss etwas ratlos zurück. Im Protokoll liest sich das etwa so:

Ist dein Debutroman «Lanz» eine stille Verneigung vor Büchners «Lenz»?

Nein, ich habe dabei gar nicht an dieses Buch gedacht. Natürlich hatte ich beim Schreiben auch andere Literatur im Kopf, aber als eine Hommage ist «Lanz» nicht zu lesen.

Die Flucht des Protagonisten Lanz aus der Projektwoche aufs Land ist ja schon fast eine politische Haltung, im Sinne von: geht von der Schule weg und findet euch…

Nein, das ist nicht politisch. Vor allem ist es harmlos. [Lanz packt einen Tag vor Ferienbeginn seine Sachen ohne seinen Eltern ein Wort zu sagen und fährt mit dem Zug ins Bündnerland zu seinen Verwandten.] Meine These ist eben gerade, dass die Jugendlichen nicht immer schlimme Sachen tun wollen, wie etwa ein Auto klauen, wie das alle erwarten würden. Lanz findet sein Glück in altmodischen Sachen, wie Gespräche oder die Verbundenheit mit der Natur – in dem er mit seinen Cousins etwa Maulwurfhügel sucht. Dadurch findet er wieder zu sich selbst.

Idealisierst du damit nicht das Land gegenüber der Stadt?

Diese Gefahr besteht, aber ich glaube es geht bei dieser Flucht viel mehr darum, dass Lanz nicht mehr nur in seinem Kopf lebt. Und dass er zu einem Ort voller Kindheitserinnerungen zurückkehrt. Das könnte auch in der Stadt geschehen.

Das Hauptthema der Jugendlichen ist ja Sex…

Nein, dem würde ich widersprechen. Ich bin ja jetzt 26 Jahre alt und die Faszination dafür hat immer noch nicht aufgehört. Deshalb sollte Lanz nicht darauf reduziert werden. Er will ja auch nicht eine vögeln, sondern viel lieber mit einem Mädchen schreiben.

Handelt es sich dabei etwa um eine Ödipusgeschichte?

Nein, die Versöhnung von Lanz mit seiner Mutter findet statt, weil er am Ende der Geschichte seine Lebendigkeit wieder findet und deshalb die Verbindung zu ihr wieder sucht.

Ist das Buch als eine stille Kritik der Überreizung der Jugendlichen durch die sozialen Medien zu lesen?

Nein, im Gegenteil. Es geht ja vor allem ums Schreiben, was ja völlig «reizunterflutend» ist. Meine These ist, dass Lanz diese Reize eben nicht braucht und vor dieser Überflutung eher flüchtet.

Das Buch hat ja eine ganz eigene Sprache. Hast du zu diesem Zweck 14-jährige beim Sprechen beobachtet?

Nein, überhaupt nicht. Viele haben mit zwar diesen Tipp gegeben, aber das hat mich überhaupt nicht interessiert. Das wäre ja auch unsinnig, da sich Sprache immer so schnell weiterentwickelt. Um dies einzufangen ist der Literaturbetrieb ja viel zu langsam. Die Sprache sollte nicht einer spezifischen Zeit, sondern der Hauptfigur des Romans treu bleiben. Kein Jugendlicher heute würde etwa das das Wort «ultra» benutzen, aber Lanz nehme ich das ab.