Von Fremdheit und Entfremdung

Der Solothurner Literaturpreis geht dieses Jahr an Terézia Mora. Die 46-jährige Schriftstellerin und Übersetzerin wuchs in Ungarn auf, in einer Familie, die zur deutschen Minderheit gehört. Mit 19 Jahren zog sie nach Berlin, wo sie Theaterwissenschaften studierte und sich zur Drehbuchautorin ausbilden liess, später wechselte sie zur Literatur. Die Reise in die Fremde, aber auch die Fremdheit in der eigenen Heimat, hat Terézia Mora in ihrem Werk entscheidend geprägt. Die Figuren in ihren Romanen sind Verlorene, Verzweifelte, Verrückte; „Menschen, die sich selbst abhandenkommen“, die die Suche nach Geborgenheit und Liebe wider besseren Wissens dennoch nicht aufgeben.

Hans-Ulrich Probst ehrte in seiner letzten Laudatio als Jurypräsident Mora als eine der wichtigsten deutschsprachigen Autorinnen des 21. Jahrhunderts. Scharf in der Zeitdiagnose und in ihrer grossen Einfachheit von archaischer Wucht zeuge das Oeuvre von einer beeindruckenden reflexiven Ästhetik. Wie ein roter Faden zieht sich dabei das Motiv der Fremdheit durch ihre Geschichten – und doch erzählt jedes Buch etwas genuin Neues. Die Sprache, derer sich Terézia Mora bedient, ist demnach auch nie diesselbe. Mora bemüht sich um eine „Erzählweise, die so wenig heimatlich wie möglich“ anmutet. Mal auktorial, mal dialogisch, mal wie ein innerer Monolog formuliert ihr Werk eine Poetik, die Multiperspektivität abzubilden vermag. Die Passagen, die Hans-Ulrich Probst an diesem Sonntagmorgen immer wieder aus verschiedenen Romanen Moras vorliest, fundieren sein Lob.

Das Gedicht „Alle Tage“ von Ingeborg Bachmann, dessen Titel Mora 2004 für ihren Roman entlehnte, wurde zum Massstab ihres literarischen Schaffens. Das Gedicht beginnt mit den Zeilen: „Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt. Das Unerhörte ist alltäglich geworden.“ Wo das Unerhörte alltäglich geworden ist, da beginnen die Geschichten Terézia Moras. Es sind alternative Narrative, für die sich Mora interessiert. Inmitten von Fremdheit und Gewalt skizziert Mora Miniaturen der Zuversicht, in der ihre Protagonisten Auswege finden – wenn auch nur für kurze Momente der Hoffnung.

„Ich habe keine richtige Dankesrede vorbereitet“, sagt Terézia Mora, als sie den 25. Solothurner Literaturpreis entgegen nimmt. Doch die Autorin, die Menschen eine Stimme gibt, die keine eigene haben oder ihre Stimme verloren haben, sei dankbar, dass sie „Überalltäglichkeit literarisch verarbeiten kann. Dankbar, dass wir in Solothurn Literaturpreise stiften und erhalten können.“ Die Preisverleihung schliesst sie mit der Anfangsszene ihres neuesten Erzählbandes „Die Liebe unter Aliens“.

Autorengefängnis Türkei – zum Dritten

„In der Türkei wurden im letzten Jahr 170 Schreibende verhaftet, 150 Medien gesperrt und über 700 Presseausweise annulliert“. Angesichts der einführenden Worte Adi Blums, anwesend als Vertreter des PEN, klingt der Name, den die Veranstaltung trägt, wie ein Euphemismus: „Wolken über dem Himmel“, erläutert die Sinologin und Germanistin Alice Grünfelder, „ist der Literatur eines zerrissenen Staates als Seismograph für die letzten hundert Jahre seiner Geschichte gewidmet.“

Dass diese Geschichte geprägt ist von Unterdrückung, Völkermord, Zwangsumsiedlung, Gefangenschaft und Flucht, wird nicht nur durch die Biografien der türkischen AutorInnen deutlich, die Yusuf Yesilöf vorstellt. Dieser wurde selber in einem kurdischen Dorf geboren und floh 1987 in die Schweiz.

Auch die von Thomas Sarbacher gelesenen Texte, ein Poem über einen ermordeten Deserteur, die Auszüge aus „Im Schatten der Liebe“ von Mehmed Uzun oder die Texte von Mustafa Kemal, zeigen, was Kemal, der im Alter von 17 Jahren erstmals für ein Gedicht inhaftiert worden war, selber formulierte: „Alle Wege führen ins Exil.“

Gezeichnet ist die türkische Literatur jedoch nicht nur von Hoffnungslosigkeit.

Das Gedicht „Wissen über die Unendlichkeit“ etwa mit den Versen „Seit jeher ist die Unendlichkeit/ausserhalb von uns/und in uns“, oder der Appell „Verlieben Sie sich!“ von Asli Erdogan spenden Trost und Hoffnung angesichts des Unerklärbaren.

So wird mit Nesins Worten zum Ende das Augenmerk noch einmal auf „das bisschen Himmel“ gerichtet, auf das Erdogan in einem Interview mit der NZZ kurz nach ihrer Freilassung verwies:

„Wann immer wir der Freiheit und der Liebe willen/eine Zigarette ins Meer warfen/brannte sie bis zum Morgen.“

SELMA IMHOF

Autorengefängnis Türkei – zum Zweiten

Die Türkei ist das Land mit den meisten inhaftierten Journalisten und Autoren der Welt.
Die Lage für Schriftsteller und Medienschaffende in der Türkei ist überaus kritisch. Verdeutlicht wurde dies dem Publikum der gestrigen PEN-Gastveranstaltung zur Einführung anhand des Faktums, dass nach dem Putschversuch im letzten Juli 150 Medieninstitutionen geschlossen und über 700 Presseausweise annulliert worden sind. Der PEN ist eine Organisation, die Literatur fördert und die freie Meinungsäusserung verteidigt. Das Versprechen der Veranstaltungsbeschreibung, über die „Wichtigkeit für den Einsatz für die Freiheit des Wortes“ zu diskutieren, wurde aber bedauerlicherweise nicht eingelöst. Durch die Lesung von Ausschnitten aus dem Werk verschiedener AutorInnen wollten die Veranstalter zum Ausdruck bringen, was das Land umtreibe. Den ausgewählten AutorInnen war gemein, dass sie aufgrund ihres Schreibens alle verfolgt oder gar inhaftiert wurden.

Die literarischen Kostproben wurden mit Thomas Sarbacher von einem wunderbaren Leser serviert. Man kennt den in Zürich lebenden Schauspieler wohl am ehesten von seinen Auftritten im „Tatort“; in den vergangenen Jahren hat er sich jedoch auch immer wieder als Vorleser  engagiert. Auch am gestrigen Abend vermochte seine rauchige Stimme den Stoffen die nötige Schwere zu verleihen.

Moderiert wurden die Veranstaltung von Alice Grünefelder und Yusuf Yeşilöz, die die Kurzlesungen jeweils mit (sehr dichten) Kurzbiographien und historischen Kontextualisierungen einleiteten. Leider erschwerte es das enorme Vortragstempo, den Einzelbeiträgen zu folgen, sofern man nicht schon zuvor mit den AutorInnen und ihrem Werk näher vertraut gewesen war.

Darüber, wie Schreibende mit der gegenwärtigen politischen Lage umgehen oder wie ihre Arbeitsrealität aussieht, erfuhr man also leider nichts. Die Veranstaltung regte aber auf jeden Fall die Neugierde an und machte Lust auf mehr – sei es auf Vertiefungen ins Historische, ins Politische oder eben direkt ins Literarische.

Autorengefängnis Türkei – zum Ersten

Rot prangern zwei identische Plakate hinter den zwei Experten und dem Vorleser Thomas Sarbacher:

FÜR DIE LITERATUR.

FÜR DIE FREIHEIT DES WORTES.

FÜR AUTORINNEN UND AUTOREN.

Adi Blum als Vorstandsmitglied des Deutschschweizer PEN-Zentrum setzt die Veranstaltung in einen bedrückenden Rahmen. Fotos sind verboten. Thomas Sarbacher trägt keine Texte von Schweizer Autoren vor, sondern Übersetzungen aus ehemals fremder Sprache: Türkisch. Vielen Autoren dort wird die Arbeit verwehrt, viele leben unfrei, andere überleben. Immer mehr in der Türkei. Alice Grünfelder und Yusuf Yeşilöz als Experten fügen jedem Text biografische Eckpunkte der Autoren hinzu.

Beginnt Sarbacher vorzutragen, ziehen sich diese biografischen Fetzen zusammen mit den Textausschnitten zwar nie zu einem Menschen, doch aber zu Luftspiegelungen von Gesichtern zusammen und hinter Worten, hinter denen fremde Worte standen, schimmern Gesichter. In die Texte sind Gräueltaten gebunden. Zwangsexil, Völkermord in Armenien; traumatische Erlebnisse ziehen als Faden durch die Stoffe, die als Abbild von vergangenen Bewegungen Geschichte aufarbeiten.

Sie erzählen von fremden Böden, fremden Bäumen, fremdem Land, fremden Ufern, fremden Ängsten und trotz allem vertrauten Wünschen. Eine Lesung, die mit nicht bloss sprachlich entfernten Schicksalen verbindet.

Gelesen wurden unter anderem Texte von Yasar Kemal, Asli Erdogan, Necmiye Alpay und Mehmed Uzun.

Bildnachweis: Maxine Young/Programmheft

„Hier geschieht etwas.“

Der Plan der Veranstalter lautet so:

Skriptor – Textwerkstatt: Autorinnen und Autoren kommen zur Textarbeit zusammen und diskutieren unveröffentlichte Texte. Dabei wird sichtbar, was sich neben der solitären Schreibarbeit zusätzlich hinter einem literarischen Text verbergen kann: eine Grosszahl an Entscheidungen, die im Gespräch reflektiert und gefällt werden. Zum Schluss kann sich das Publikum einbringen.

Die Szene am Samstagnachmittag, Gluthitze, gestaltet sich wie folgt: Ein unveröffentlichter Text von Barbara Schibli, Korobeiniki. Es diskutieren Martina Clavadetscher und Flurin Jecker, deren Erstlinge in diesem Jahr erschienen sind, Francesco Micieli, Jeckers Ex-Mentor am Literaturinstitut Biel, Ulrike Ulrich und Daniela Bär. Donat Blum moderiert.

In Schieblis Text treffen wir auf eine russische Frau, die doppelsichtig ist. Das eine Auge schielt, „es ist verfault“. Ein Kommissar, vor dem sie sich fürchtet, ihn aber auch verführen will, führt eine Studie durch und macht Kreuze.

Zentral ist ein Gameboy, auf dem „Tetris“ gespielt wird, jenes in „Gameboy“-Zeiten beliebte Spiel mit herabfallenden Formen, bei dem keine Lücken entstehen dürfen.

Nach der Lesung der Autorin meldet sich zunächst die Zürcher Autorin Ulrike Ulrich zu Wort. Sie rühmt Schiblis Sprachkraft, die „Tetris-Welt“ sei sehr schön kreiert, man löse sich darin auf als Leser, man falle sozusagen mit den Würfeln zusammen. Die Würfel seien aber noch nicht ganz angekommen, dem Text fehle es noch an Festigkeit.

Inwiefern ein solches Mass an Irritation erlaubt sei, wird gefragt, und ob es dem Text diene.

Micieli findet viele Stellen, an denen „etwas geschieht“.

Jecker wünscht sich mehr Glaubhaftigkeit, er glaubt dem Kommissar nicht, glaubt der Lückenlosigkeit nicht, fragt, wo das alles hinführe.

Bär, Ulrich und Micieli unterhalten sich darüber, ob der Text gekürzt oder verlängert werden sollte.

Zum Ende der 90 Minuten, in denen der Kommissar überflüssig geworden, die Wünsche der Autoren geäussert und verschiedene Vorstellungen von der „Substanz“ des Textes entworfen und verworfen worden sind, kann „Tetris“ als Metapher für die Stimmung im Textor-Raum verwendet werden. Irgendwie lückenlos.

Amsél – Wiedersehen in Tanger

Dass Amséls photographisches Talent ihr schriftstellerisches noch überragt, zeigt sich bereits in den wenigen vorgelesenen Zeilen. Starke und sprechende Bilder einer in Fleisch und Erde wiederkehrenden Welt im letzten Licht des Ramadan stehen bisweilen peinlich unverhüllten didaktischen Eskapaden gegenüber: islamische Theologie, Etymologien, Kulturwissenschaftliches und natürlich dürfen auch die grossen Zusammenhänge zur Weltgeschichte in den Nebensätzen nicht fehlen. Es ja nicht ungewöhnlich, dass Erstlingswerke sich schwer tun der Versuchung zu widerstehen, die Welt zu erklären, anstatt sie zu zeigen und zu schaffen. Und es stellt sich natürlich immer wieder die Frage, ob Ersteres überhaupt in den Aufgabenbereich eines Schriftstellers gehört, schliesslich stehen aus anderen Disziplinen reichlich phantasielose und analytische Denker dafür zur Verfügung. Nichtsdestotrotz – Amsél hat auch etwas zu bieten.

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Es tagt…

… ein letztes Mal bei den Solothurner Literaturtagen. Und während auf dem Südufer die Migros und das Slowup-Event bereits die Kontrolle übernommen haben, geht das Buchjahr heute zu Terézia Mora, Schweiz schreiben, Ernst Burren, Tom Kummer, Martina Clavadetscher etc. etc.

Die Stunde der kurzen Form – ein Porträt

Am Freitagabend wurde im Landhaus die „Stunde der kurzen Form“ ausgetragen. Acht AutorInnen haben sich an dieses sprachliche Experiment gewagt und zwischen zwei Vortragsarten gewählt: Dem japanischen PechaKucha, in welchem 20 Bilder à jeweils 20 Sekunden besprochen werden müssen oder Power Point Karaoke, bei welchem zu vorgegebenen Bilder frei assoziiert wird. Für alle, die gestern nicht mit von der Partie waren, weil sie an der Aare die letzten Sonnenstrahlen bei einem Aperol Spritz genossen (wer kann es ihnen verübeln) oder der zeitgleichen Performance des Autorenkollektivs L’AJAR beiwohnten, hier ein Porträt der Darbietenden:

Valerio Moser und Remo Rickenbacher – Die Cabaretisten
Die beiden Slam-Poeten stellten sich in ihrer PechaKucha-Darbietung die Frage, ob sich ihre Kunst eigentlich Literatur nennen darf. In einer satirischen Zusammenstellung präsentierten sie ihre Eindrücke von den letzten Solothurner Literaturtage: „Literaten“, das sind bescheidene, schlanke, ältere Herren in karierten Hemden, die auf der Bühne nur Wasser trinken, ihr Publikum grau meliert und artig. Slam-Poeten dagegen: untrainierte, Trivialliteratur verschlingende, Whisky bevorzugende, Klischees verbreitende Typen, deren Fangemeinde sich kaum auf den Stühlen halten kann. Doch genug der Stereotypen: So viele Worte in so kurzer Zeit runterzulaiern und trotz der vielen Bilder einen roten Faden durchzuziehen ist eine Kunst für sich! Gut getaktete, mitreissende Unterhaltung.

Katja Alves – Die Selbstironische
Was passiert, wenn sich eine Kinderbuchautorin (ein bisschen zu viel) der Ironie bedient, konnte man an Katja Alves PechaKucha sehen. In einer mehr oder weniger ernst gemeinten Präsentation ihres Lebens als Kinderbuchautorin parodiert sich die gebürtige Portugiesin auf humorvolle, sympathische Art selbst. Leider wollte die Technik nicht ganz so, wie sie sollte.

Gerhard Meister – Der Zauderer
Der Berner Lyriker war der einzige, der sich nebst Daniela Dill an die Impro-Darbietung der Power Point Karaoke wagte. Dafür sei ihm hier schon einmal Respekt gezollt. Seine spontane Präsentation zum Thema Arbeit vermochte jedoch nicht ganz zu überzeugen. Meister bevorzugte es, die 20 Sekunden pro Bild mehrheitlich wartend zu bestreiten. Kann man machen.

Amsél – Die Ethnologin
Die Fotografin und Autorin versuchte sich an einer ethnologisch angehauchten Zusammenstellung interkultureller Partnerschaften, die aus verschiedenen Erdteilen kommend, dennoch zusammengefunden haben. Dabei fand sie schöne Parallelen zwischen nomadisch veranlagten Menschen und Zugvögeln.

Tom Kummer – Der Autofiktionale
Kummers PechaKucha-Performance bewegte sich in der Grauzone von Wirklichkeit und Fiktion. In nur wenigen Minuten lieferte er eine dichte, stimmige Zusammenfassung der grossen Liebe von „Nina & Tom“, ohne eine Antwort auf die Frage nach dem Geheimnis ihrer Verbindung zu finden. Mit dem Tod von Nina beendete er seinen verstörenden und zugleich bewegenden Wortschwall.

Daniela Dill – Die Spontane
Gekonnt bringt Daniela Dill ihre Power Point Karaoke-Show über die Bühne. Die ihr unbekannten Bilder zum Thema Glamour verdichtet sie geschickt zu einer improvisierten Kurzgeschichte über Marie-Antoinette von Wittgenstein, eine Adlige, die mittellos in einer Pariser Dienstwohnung ihr Leben als Angestellte fristet. Dass Daniela Dill eine virtuose Slam Poetin ist, hat sie mit dieser spontanen Darbietung unter Beweis gestellt.

Franzobel – Der Ignorante
Der Wiener Schriftsteller las während seines Auftritts in scheinbar stoischer Ruhe aus seinem viel besprochenen Roman „Das Floss der Medusa“ vor. Die hinter seinem Rücken erscheinenden Bilder, verschiedene Darstellungen des Übersee-Unglücks, beachtete er dabei kaum. Bild-Ton-Korrespondenz geht anders.

 

A long way down

Feierabend, das Pressebüro schliesst für heute die Pforten. Morgen früh um 10 geht es weiter, dann u.a. mit einem ausführlichen Gespräch mit Michael Fehr, der Preisverleihung an Terézia Mora und dem weiten, weiten Feld „Schweiz schreiben“.

Auf weitem Feld findet sich übrigens auch wieder, wer der gern gemachten Angabe folgt, das Stadion liege etwa fünfzehn Minuten von der Altstadt („einfach die Aare runter“) entfernt. Nach besagter Viertelstunde trafen zumindest wir auf eine freundliche Hündelerin, die uns bei strammem Schritt zwanzig weitere Minuten prophezeite. Innerhalb derer wir mit dem Solothurner Freibad den einzigen Ort passierten, der noch bevölkerter war als die Altstadt. Und kurz vor deren Ablauf wir immerhin eine staubige Kreuzung erreichten. Als der Dunst des vorbeifahrenden Rollators sich gelegt hatte, eine Art Fata Morgana im Juraschatten. Masten, Zäune, niedrige Baracken. Vielleicht ein Stadion? Oder doch eine Hühnerfarm? Was auch immer es war, es war weit weg. 34 Grad in der Sonne, 35 Minuten zurück. Zu Tim Krohns Lesung kamen wir gerade noch pünktlich, Carlo Spillers Geschicke mit der Autoren-Nati mussten wir im Buchjahr-Blog verfolgen. Auf Google, später, sah das Ganze dann doch kürzer aus. Nur „einfach die Aare runter“ lag dabei nicht drin. Fair enough, um es einmal mit Tom Kummer zu sagen. Der übrigens morgen noch in Solothurn zu hören sein wird. Sofern er nicht mit Göldin im Freibad schwänzt.

En attendant Göldin

Hüt heissts Rap-Showdown – HipHop trifft uf Literaturfestival – Göldin und Big Zis! Nume Göldin’s missing… abr keis Problem, d’Rapperin Big Zis bewiist Flexibilität und improvisiert: Tanz de Räge! Du treisch sLache als Uni-uni-uniform. Big Zis schaffts sbildete und au eher ältere Publikum zfasziniere mit ihrer Rhythmusgwalt, Satzmelodie und Wortvielfalt. Abr ned nur das, sie stellt sich au de Frage usem Publikum wo zerst no zögerlich aber denn immer muetiger chömed.

Chauvinismus im Rap? Das isch hüt ned viel anders wie früener, es git di einte und di andere. Es gaht drum sich zverkaufe mit Videoclips. Grad au Fraue, wo ihre Sex verkaufed unds Befreiig nenned, isch fürd Big Zis en zweischniidigi Sach, aber Manneärsch verkaufed sich halt ned. Mit de Klischees im Hiphop het sie scho vo Afang a gern gspielt und abgrechnet. De Rap het sie azoge – de Sexismus, Chauvinismus und und Neoliberalismus findet sie unmögli. Hüt het sie mit ihrem Rap en eigeti Welt gschaffe wo sie di eigentlich Szene gar nüm so intressiert.

Wie entstönd ihri Text? Schriftlich und ned mündlich zum Erstuune vom Publikum. Und stets mit emne Bispiel a Musigg als Basis, nachher wachst das ganze fast scho organisch zäme. Ihri Text treit sie komplett uswendig vor. Ihres Gedächtnis seg wiene Lagerhalle, alles schön in Regalgstell sortiert. Sie bereuts ned chönne Schlagzüg und Gitarre zspiele, und somit ned komplett unabhängig zsi vo andere, aber grad das Zämespiel machts wertvoll. Für ihri „Limitiertheit“ isch sie au dankbar.

Wie isches für sie Teil vomne etablierte Literaturfestival zsi? En Ritterschlag, isch die ironischi Antwort vo de Big Zis. Endlich seg sie acho i de Hochkultur, sowie ja au de Bob Dylan de Nobelpriis bercho het. Aber die einte wüsseds villech no: dBig Zis isch bereits vor drü Jahr am Solothurner Literaturfestival uftrete.

D’Sympathie vom Publikum het dBig Zis mit ihrer direkte Art und ihrer Ironie scho lang gunne. So lacht sPublikum au, wo sie meint, sie heg doch iz de doppelti Lohn verdient, da de Göldin ja uf sin Teil verzichtet. Zum Abschluss bringt sie no es paar Bispiel us ihrne früenere Raps. Si git debi Acht, ned die zpräsentiere wo si hüt Abig am 6i no zum Beste wird gäh. Und mit es bizeli Glück taucht au de Göldin für die musikalisch literarischi Performance uf.