Demokratie – Neubau oder Sanierung?

Die Demokratie zur Kritik freizugeben, ist Teil ihres Wesens. Demokratische Wahlen abschaffen zu wollen, erweckt im Land der Totaldemokraten hingegen Angst um die eigene Identität. David Van Reybrouck, dessen vieldiskutierte Thesen aus „Gegen Wahlen“ als Grundlage der am Samstagabend in Solothurn angesetzten Podiumsdiskussion „Demokratie in der Krise“ dienen, spricht den Wahlen ihren demokratischen Charakter ab und bezeichnet sie als Instrument der Aristokratie. Die Auffassung von der Demokratie in der Krise teilen auch Lukas Bärfuss (Autor) und Ruth Dällenbach (Politische Konsulentin, Präsidentin „Denknetz“); den Weg zur Besserung vermuten sie aber hinter verschiedenen Türen.

Moderator Felix Schneider eröffnet die Diskussion mit der Frage, welche Symptome es für die Krise gebe. Van Reybrouck beginnt Statistiken aufzuzählen, nach welchen Bürger den Grossteil des Vertrauens in Parteien und Politiker verloren hätten – und das auch in Europa. Damit stecke das Wahlverfahren in einer Legitimationskrise, was Dällenbach allerdings sogleich dementiert. Es sei eine Effizienzkrise und die Frage sei eher, wer alles worüber entscheiden darf. Bärfuss folgt ganz anderen Gedankengängen und lokalisiert das Problem in dem obsoleten Konzept des Nationalstaats, da es ja willkürlich sei, den Wahlkreis aufgrund der Nationalität zu ziehen. Die Frage aber bleibt: Wem vertrauen die Bürger noch?

Zwar sieht Bärfuss die Problematik in institutionellen Mittelstufen zwischen Lokalität und Globalität (beispielsweise der Nationalrat stand heftig unter Beschuss), die von der Wirklichkeit überholt worden seien, trotzdem bekennt er sich in vielen Punkten als ausgesprochener Sympathisant Van Reybroucks. Das ungeregelte Zusammenkommen eines Volkes führe immer zu Revolutionen, was Repräsentanten unabdingbar mache. Durch Wahlen sei aber die Angst vor der nächsten Wahl eine gewaltigere Kraft denn die Wirkung der vergangenen. Die Idee funktioniert wie folgt: Das Interesse des Politikers ist es, gewählt zu werden, weshalb er sein Programm den Interessen der Wählerschaft anpasst, insofern diese überhaupt die besten Richter ihrer eigenen Interessen sind. Van Reybroucks Vorschlag ist nun, ein vielfältiges Gremium (Geschlecht, Alter, Soziale Klasse, Wohnort) durch Zufall auszulosen. Besser weniger kompetent und frei, als kompetenter und unfrei.

Dällenbach stemmt sich nun gegen diese Logik mit der Frage, wo die Kraft der Bevölkerung bleibe. Wer Bürgern die Kompetenz zur Wahl abspreche, könne ihnen doch nicht die Kompetenz zur Politik zusprechen. Ja, Lobbyismus und Wahlkampfverfahren müssen kontrolliert und reguliert werden, und ja, das Elektorat müsse ausgeweitet werden. Für all das gebe es aber basisdemokratische Wege, die auf das Engagement der Bürger bauen. Die politische Partizipation sei durch Bildung des Demos, nicht durch Zwang zu erreichen.

Die Veränderung ist nicht gefährlich, aber keine Veränderung ist es. Ob diese das Entscheidungsverfahren an sich oder eine Alternative bedeutet, ist zwar keineswegs eine neue, durchaus aber eine entscheidende Frage. Vor allem die Schweiz muss sich immer wieder bewusst machen, dass die Demokratie als Mittel notwendigen Änderungen offenstehen muss und darf sie nicht zum Zweck überhöhen.

Lukas Bärfuss und David Van Reybrouck treffen sich am 30. Mai im Schauspielhaus Zürich zu einer weiteren Diskussion zum Thema.

Autorengefängnis Türkei – zum Dritten

„In der Türkei wurden im letzten Jahr 170 Schreibende verhaftet, 150 Medien gesperrt und über 700 Presseausweise annulliert“. Angesichts der einführenden Worte Adi Blums, anwesend als Vertreter des PEN, klingt der Name, den die Veranstaltung trägt, wie ein Euphemismus: „Wolken über dem Himmel“, erläutert die Sinologin und Germanistin Alice Grünfelder, „ist der Literatur eines zerrissenen Staates als Seismograph für die letzten hundert Jahre seiner Geschichte gewidmet.“

Dass diese Geschichte geprägt ist von Unterdrückung, Völkermord, Zwangsumsiedlung, Gefangenschaft und Flucht, wird nicht nur durch die Biografien der türkischen AutorInnen deutlich, die Yusuf Yesilöf vorstellt. Dieser wurde selber in einem kurdischen Dorf geboren und floh 1987 in die Schweiz.

Auch die von Thomas Sarbacher gelesenen Texte, ein Poem über einen ermordeten Deserteur, die Auszüge aus „Im Schatten der Liebe“ von Mehmed Uzun oder die Texte von Mustafa Kemal, zeigen, was Kemal, der im Alter von 17 Jahren erstmals für ein Gedicht inhaftiert worden war, selber formulierte: „Alle Wege führen ins Exil.“

Gezeichnet ist die türkische Literatur jedoch nicht nur von Hoffnungslosigkeit.

Das Gedicht „Wissen über die Unendlichkeit“ etwa mit den Versen „Seit jeher ist die Unendlichkeit/ausserhalb von uns/und in uns“, oder der Appell „Verlieben Sie sich!“ von Asli Erdogan spenden Trost und Hoffnung angesichts des Unerklärbaren.

So wird mit Nesins Worten zum Ende das Augenmerk noch einmal auf „das bisschen Himmel“ gerichtet, auf das Erdogan in einem Interview mit der NZZ kurz nach ihrer Freilassung verwies:

„Wann immer wir der Freiheit und der Liebe willen/eine Zigarette ins Meer warfen/brannte sie bis zum Morgen.“

SELMA IMHOF

Autorengefängnis Türkei – zum Zweiten

Die Türkei ist das Land mit den meisten inhaftierten Journalisten und Autoren der Welt.
Die Lage für Schriftsteller und Medienschaffende in der Türkei ist überaus kritisch. Verdeutlicht wurde dies dem Publikum der gestrigen PEN-Gastveranstaltung zur Einführung anhand des Faktums, dass nach dem Putschversuch im letzten Juli 150 Medieninstitutionen geschlossen und über 700 Presseausweise annulliert worden sind. Der PEN ist eine Organisation, die Literatur fördert und die freie Meinungsäusserung verteidigt. Das Versprechen der Veranstaltungsbeschreibung, über die „Wichtigkeit für den Einsatz für die Freiheit des Wortes“ zu diskutieren, wurde aber bedauerlicherweise nicht eingelöst. Durch die Lesung von Ausschnitten aus dem Werk verschiedener AutorInnen wollten die Veranstalter zum Ausdruck bringen, was das Land umtreibe. Den ausgewählten AutorInnen war gemein, dass sie aufgrund ihres Schreibens alle verfolgt oder gar inhaftiert wurden.

Die literarischen Kostproben wurden mit Thomas Sarbacher von einem wunderbaren Leser serviert. Man kennt den in Zürich lebenden Schauspieler wohl am ehesten von seinen Auftritten im „Tatort“; in den vergangenen Jahren hat er sich jedoch auch immer wieder als Vorleser  engagiert. Auch am gestrigen Abend vermochte seine rauchige Stimme den Stoffen die nötige Schwere zu verleihen.

Moderiert wurden die Veranstaltung von Alice Grünefelder und Yusuf Yeşilöz, die die Kurzlesungen jeweils mit (sehr dichten) Kurzbiographien und historischen Kontextualisierungen einleiteten. Leider erschwerte es das enorme Vortragstempo, den Einzelbeiträgen zu folgen, sofern man nicht schon zuvor mit den AutorInnen und ihrem Werk näher vertraut gewesen war.

Darüber, wie Schreibende mit der gegenwärtigen politischen Lage umgehen oder wie ihre Arbeitsrealität aussieht, erfuhr man also leider nichts. Die Veranstaltung regte aber auf jeden Fall die Neugierde an und machte Lust auf mehr – sei es auf Vertiefungen ins Historische, ins Politische oder eben direkt ins Literarische.

Autorengefängnis Türkei – zum Ersten

Rot prangern zwei identische Plakate hinter den zwei Experten und dem Vorleser Thomas Sarbacher:

FÜR DIE LITERATUR.

FÜR DIE FREIHEIT DES WORTES.

FÜR AUTORINNEN UND AUTOREN.

Adi Blum als Vorstandsmitglied des Deutschschweizer PEN-Zentrum setzt die Veranstaltung in einen bedrückenden Rahmen. Fotos sind verboten. Thomas Sarbacher trägt keine Texte von Schweizer Autoren vor, sondern Übersetzungen aus ehemals fremder Sprache: Türkisch. Vielen Autoren dort wird die Arbeit verwehrt, viele leben unfrei, andere überleben. Immer mehr in der Türkei. Alice Grünfelder und Yusuf Yeşilöz als Experten fügen jedem Text biografische Eckpunkte der Autoren hinzu.

Beginnt Sarbacher vorzutragen, ziehen sich diese biografischen Fetzen zusammen mit den Textausschnitten zwar nie zu einem Menschen, doch aber zu Luftspiegelungen von Gesichtern zusammen und hinter Worten, hinter denen fremde Worte standen, schimmern Gesichter. In die Texte sind Gräueltaten gebunden. Zwangsexil, Völkermord in Armenien; traumatische Erlebnisse ziehen als Faden durch die Stoffe, die als Abbild von vergangenen Bewegungen Geschichte aufarbeiten.

Sie erzählen von fremden Böden, fremden Bäumen, fremdem Land, fremden Ufern, fremden Ängsten und trotz allem vertrauten Wünschen. Eine Lesung, die mit nicht bloss sprachlich entfernten Schicksalen verbindet.

Gelesen wurden unter anderem Texte von Yasar Kemal, Asli Erdogan, Necmiye Alpay und Mehmed Uzun.

Bildnachweis: Maxine Young/Programmheft

„Hier geschieht etwas.“

Der Plan der Veranstalter lautet so:

Skriptor – Textwerkstatt: Autorinnen und Autoren kommen zur Textarbeit zusammen und diskutieren unveröffentlichte Texte. Dabei wird sichtbar, was sich neben der solitären Schreibarbeit zusätzlich hinter einem literarischen Text verbergen kann: eine Grosszahl an Entscheidungen, die im Gespräch reflektiert und gefällt werden. Zum Schluss kann sich das Publikum einbringen.

Die Szene am Samstagnachmittag, Gluthitze, gestaltet sich wie folgt: Ein unveröffentlichter Text von Barbara Schibli, Korobeiniki. Es diskutieren Martina Clavadetscher und Flurin Jecker, deren Erstlinge in diesem Jahr erschienen sind, Francesco Micieli, Jeckers Ex-Mentor am Literaturinstitut Biel, Ulrike Ulrich und Daniela Bär. Donat Blum moderiert.

In Schieblis Text treffen wir auf eine russische Frau, die doppelsichtig ist. Das eine Auge schielt, „es ist verfault“. Ein Kommissar, vor dem sie sich fürchtet, ihn aber auch verführen will, führt eine Studie durch und macht Kreuze.

Zentral ist ein Gameboy, auf dem „Tetris“ gespielt wird, jenes in „Gameboy“-Zeiten beliebte Spiel mit herabfallenden Formen, bei dem keine Lücken entstehen dürfen.

Nach der Lesung der Autorin meldet sich zunächst die Zürcher Autorin Ulrike Ulrich zu Wort. Sie rühmt Schiblis Sprachkraft, die „Tetris-Welt“ sei sehr schön kreiert, man löse sich darin auf als Leser, man falle sozusagen mit den Würfeln zusammen. Die Würfel seien aber noch nicht ganz angekommen, dem Text fehle es noch an Festigkeit.

Inwiefern ein solches Mass an Irritation erlaubt sei, wird gefragt, und ob es dem Text diene.

Micieli findet viele Stellen, an denen „etwas geschieht“.

Jecker wünscht sich mehr Glaubhaftigkeit, er glaubt dem Kommissar nicht, glaubt der Lückenlosigkeit nicht, fragt, wo das alles hinführe.

Bär, Ulrich und Micieli unterhalten sich darüber, ob der Text gekürzt oder verlängert werden sollte.

Zum Ende der 90 Minuten, in denen der Kommissar überflüssig geworden, die Wünsche der Autoren geäussert und verschiedene Vorstellungen von der „Substanz“ des Textes entworfen und verworfen worden sind, kann „Tetris“ als Metapher für die Stimmung im Textor-Raum verwendet werden. Irgendwie lückenlos.

Amsél – Wiedersehen in Tanger

Dass Amséls photographisches Talent ihr schriftstellerisches noch überragt, zeigt sich bereits in den wenigen vorgelesenen Zeilen. Starke und sprechende Bilder einer in Fleisch und Erde wiederkehrenden Welt im letzten Licht des Ramadan stehen bisweilen peinlich unverhüllten didaktischen Eskapaden gegenüber: islamische Theologie, Etymologien, Kulturwissenschaftliches und natürlich dürfen auch die grossen Zusammenhänge zur Weltgeschichte in den Nebensätzen nicht fehlen. Es ja nicht ungewöhnlich, dass Erstlingswerke sich schwer tun der Versuchung zu widerstehen, die Welt zu erklären, anstatt sie zu zeigen und zu schaffen. Und es stellt sich natürlich immer wieder die Frage, ob Ersteres überhaupt in den Aufgabenbereich eines Schriftstellers gehört, schliesslich stehen aus anderen Disziplinen reichlich phantasielose und analytische Denker dafür zur Verfügung. Nichtsdestotrotz – Amsél hat auch etwas zu bieten.

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A long way down

Feierabend, das Pressebüro schliesst für heute die Pforten. Morgen früh um 10 geht es weiter, dann u.a. mit einem ausführlichen Gespräch mit Michael Fehr, der Preisverleihung an Terézia Mora und dem weiten, weiten Feld „Schweiz schreiben“.

Auf weitem Feld findet sich übrigens auch wieder, wer der gern gemachten Angabe folgt, das Stadion liege etwa fünfzehn Minuten von der Altstadt („einfach die Aare runter“) entfernt. Nach besagter Viertelstunde trafen zumindest wir auf eine freundliche Hündelerin, die uns bei strammem Schritt zwanzig weitere Minuten prophezeite. Innerhalb derer wir mit dem Solothurner Freibad den einzigen Ort passierten, der noch bevölkerter war als die Altstadt. Und kurz vor deren Ablauf wir immerhin eine staubige Kreuzung erreichten. Als der Dunst des vorbeifahrenden Rollators sich gelegt hatte, eine Art Fata Morgana im Juraschatten. Masten, Zäune, niedrige Baracken. Vielleicht ein Stadion? Oder doch eine Hühnerfarm? Was auch immer es war, es war weit weg. 34 Grad in der Sonne, 35 Minuten zurück. Zu Tim Krohns Lesung kamen wir gerade noch pünktlich, Carlo Spillers Geschicke mit der Autoren-Nati mussten wir im Buchjahr-Blog verfolgen. Auf Google, später, sah das Ganze dann doch kürzer aus. Nur „einfach die Aare runter“ lag dabei nicht drin. Fair enough, um es einmal mit Tom Kummer zu sagen. Der übrigens morgen noch in Solothurn zu hören sein wird. Sofern er nicht mit Göldin im Freibad schwänzt.

En attendant Göldin

Hüt heissts Rap-Showdown – HipHop trifft uf Literaturfestival – Göldin und Big Zis! Nume Göldin’s missing… abr keis Problem, d’Rapperin Big Zis bewiist Flexibilität und improvisiert: Tanz de Räge! Du treisch sLache als Uni-uni-uniform. Big Zis schaffts sbildete und au eher ältere Publikum zfasziniere mit ihrer Rhythmusgwalt, Satzmelodie und Wortvielfalt. Abr ned nur das, sie stellt sich au de Frage usem Publikum wo zerst no zögerlich aber denn immer muetiger chömed.

Chauvinismus im Rap? Das isch hüt ned viel anders wie früener, es git di einte und di andere. Es gaht drum sich zverkaufe mit Videoclips. Grad au Fraue, wo ihre Sex verkaufed unds Befreiig nenned, isch fürd Big Zis en zweischniidigi Sach, aber Manneärsch verkaufed sich halt ned. Mit de Klischees im Hiphop het sie scho vo Afang a gern gspielt und abgrechnet. De Rap het sie azoge – de Sexismus, Chauvinismus und und Neoliberalismus findet sie unmögli. Hüt het sie mit ihrem Rap en eigeti Welt gschaffe wo sie di eigentlich Szene gar nüm so intressiert.

Wie entstönd ihri Text? Schriftlich und ned mündlich zum Erstuune vom Publikum. Und stets mit emne Bispiel a Musigg als Basis, nachher wachst das ganze fast scho organisch zäme. Ihri Text treit sie komplett uswendig vor. Ihres Gedächtnis seg wiene Lagerhalle, alles schön in Regalgstell sortiert. Sie bereuts ned chönne Schlagzüg und Gitarre zspiele, und somit ned komplett unabhängig zsi vo andere, aber grad das Zämespiel machts wertvoll. Für ihri „Limitiertheit“ isch sie au dankbar.

Wie isches für sie Teil vomne etablierte Literaturfestival zsi? En Ritterschlag, isch die ironischi Antwort vo de Big Zis. Endlich seg sie acho i de Hochkultur, sowie ja au de Bob Dylan de Nobelpriis bercho het. Aber die einte wüsseds villech no: dBig Zis isch bereits vor drü Jahr am Solothurner Literaturfestival uftrete.

D’Sympathie vom Publikum het dBig Zis mit ihrer direkte Art und ihrer Ironie scho lang gunne. So lacht sPublikum au, wo sie meint, sie heg doch iz de doppelti Lohn verdient, da de Göldin ja uf sin Teil verzichtet. Zum Abschluss bringt sie no es paar Bispiel us ihrne früenere Raps. Si git debi Acht, ned die zpräsentiere wo si hüt Abig am 6i no zum Beste wird gäh. Und mit es bizeli Glück taucht au de Göldin für die musikalisch literarischi Performance uf.

 

Im Sog der Blogs

Wie verhält sich das Bloggen zum herkömmlichen Schreiben? Wird das Feuilleton in der Blogosphäre enden? Mit diesen Leitfragen eröffnete Buchjahr-Herausgeber Philipp Theisohn das Zukunftsatelier unter dem Titel «Blog oder Kritik?» mit der Kulturjournalistin Sieglinde Geisel.

Als Gründungsmitglied des Blogs «tell» erzählt Geisel zu Beginn euphorisch von den vielen Vorzügen des Bloggens: Der spielerische Umgang mit dem Schreiben muss dabei im Gegensatz zu traditionellen Medien nicht einer Veranstaltung gerecht werden und darf sehr subjektiv sein. Als jahrelange NZZ-Redaktorin aus der Welt der statischen Printmedien kommend, geniesst Geisel nach anfänglicher Scheu heute die Freiheit, welche ihr das Bloggen eröffnet. Es macht Formate wie den Page-99-Test, Long Reads mit Multimedia oder auch mal eine tiefschürfende Übersetzungskritik möglich, die in den Zeitungen meistens keinen Raum finden. Auch die Möglichkeit zum Mitreden und die Überwindung der Grenzen zwischen Kritikerin und Leser sieht sie als eine der vielen Vorzüge des Mediums. Ihr Blog «Tell» geht dabei so weit, dass einige Leserkommentare auch in Rücksprache mit dem Verfasser redigiert und als Debattenbeitrag veröffentlicht werden.

Der Haken an den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten dieses neuen Mediums liegt in der fehlenden Entlöhnung der sechsköpfigen Onlineredaktion. Ein Finanzkonzept hat der Blog noch nicht. Möglichkeiten wie Paywall oder Crowdfunding gegen signierte  Bücher werden geprüft. Geisel schwebt auch ein soziales Angebot vor, bei dem man für private Lesungen oder einen Blick hinter die Kulissen einen gewissen Betrag bezahlt. All dies schwebt jedoch noch in den Wolken, begründet wird dieser profitarme Zustand mit der aktuellen Umbruchphase, in der sich der Journalismus befindet.

Gerade dieser Umbruch macht das Verhältnis von Print- und digitalen Medien zu einem Schlachtfeld der Meinungen. So sei jede neue Technologie auch eine Herrschaftsform, mit der umzugehen zuerst gelernt werden muss. Printformate mit Online-Angeboten zu ergänzen, anstatt zu konkurrenzieren, erfordere viel Kreativität und neue Ideen. All diesen Unsicherheiten und Schwierigkeiten möchte Geisel entgegenwirken und mit ihrem Blog gute Laune in die Medienwelt bringen. Die Frage stellt sich nur, wie lange diese Laune ohne Honorar anhalten wird.

 

Schriftsteller-Nati liefert solides Spiel gegen Rakete Solothurn

Für einen Sieg hat es der elfköpfigen Mannschaft leider nicht gereicht. Ein Auswechselspieler musste vom zahlenmässig überlegenen Gegner ausgeliehen werden. Besonderes Lob verdienen Patric Modiano und Demian Lienhard, die beide jeweils ein Tor erzielten und damit beim eher demütigenden Zwischenstand von 5:0 noch etwas Ergebniskosmetik betrieben. Dem Torwart, Autor dieser Zeilen, darf hier nicht die ausschliessliche Schuld zugewiesen werden, denn die körperlich eher kleine Nummer 1 hielt, was das Zeug hält. Der gute Mannschaftsgeist zeigte sich dann auch in den beiden Treffern, welche in der zweiten Halbzeit noch versenkt werden konnten. Zum interessierten Publikum an der Seitenlinie gehörte wie jedes Jahr Peter Bichsel, welcher es sich nicht nehmen liess, den Anstoss zu tschuten.

Aber auch sonst hatte die Lokalpresse ihre helle Freunde an der versammelten Literaturprominenz, die sich ihren Weg auf dem Platz frei kickten, darunter Pedro Lenz, Bänz Friedli, Wolfgang Bortlik, Andri Perl und Patrick Tschan.

Halbzeit: 2:0
Endstand: 5:2
www.schriftsteller-nati.ch