Autorengefängnis Türkei – zum Ersten

Rot prangern zwei identische Plakate hinter den zwei Experten und dem Vorleser Thomas Sarbacher:

FÜR DIE LITERATUR.

FÜR DIE FREIHEIT DES WORTES.

FÜR AUTORINNEN UND AUTOREN.

Adi Blum als Vorstandsmitglied des Deutschschweizer PEN-Zentrum setzt die Veranstaltung in einen bedrückenden Rahmen. Fotos sind verboten. Thomas Sarbacher trägt keine Texte von Schweizer Autoren vor, sondern Übersetzungen aus ehemals fremder Sprache: Türkisch. Vielen Autoren dort wird die Arbeit verwehrt, viele leben unfrei, andere überleben. Immer mehr in der Türkei. Alice Grünfelder und Yusuf Yeşilöz als Experten fügen jedem Text biografische Eckpunkte der Autoren hinzu.

Beginnt Sarbacher vorzutragen, ziehen sich diese biografischen Fetzen zusammen mit den Textausschnitten zwar nie zu einem Menschen, doch aber zu Luftspiegelungen von Gesichtern zusammen und hinter Worten, hinter denen fremde Worte standen, schimmern Gesichter. In die Texte sind Gräueltaten gebunden. Zwangsexil, Völkermord in Armenien; traumatische Erlebnisse ziehen als Faden durch die Stoffe, die als Abbild von vergangenen Bewegungen Geschichte aufarbeiten.

Sie erzählen von fremden Böden, fremden Bäumen, fremdem Land, fremden Ufern, fremden Ängsten und trotz allem vertrauten Wünschen. Eine Lesung, die mit nicht bloss sprachlich entfernten Schicksalen verbindet.

Gelesen wurden unter anderem Texte von Yasar Kemal, Asli Erdogan, Necmiye Alpay und Mehmed Uzun.

Bildnachweis: Maxine Young/Programmheft

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David Sieber

David Sieber studiert Philosophie mit Deutscher Literaturwissenschaft im Nebenfach an der Universität Zürich. Der Treffpunkt dieser Fächer zieht ihn auch zur Podiumsdiskussion über den vermeintlichen Abstieg der Demokratie; mit der Frage, was ein Schriftsteller (dieser Bärfuss) in der politischen Philosophie zu suchen hat und was er da findet. Erfreulicher Fund des Frühjahrs war Daniel Mezger über seine Kolumne «Schlussfrage» im Magazin «Literarischer Monat» und von einem durch Lektüre bedingten Trauma ist er bis anhin verschont geblieben.