Im Sog der Blogs

Wie verhält sich das Bloggen zum herkömmlichen Schreiben? Wird das Feuilleton in der Blogosphäre enden? Mit diesen Leitfragen eröffnete Buchjahr-Herausgeber Philipp Theisohn das Zukunftsatelier unter dem Titel «Blog oder Kritik?» mit der Kulturjournalistin Sieglinde Geisel.

Als Gründungsmitglied des Blogs «tell» erzählt Geisel zu Beginn euphorisch von den vielen Vorzügen des Bloggens: Der spielerische Umgang mit dem Schreiben muss dabei im Gegensatz zu traditionellen Medien nicht einer Veranstaltung gerecht werden und darf sehr subjektiv sein. Als jahrelange NZZ-Redaktorin aus der Welt der statischen Printmedien kommend, geniesst Geisel nach anfänglicher Scheu heute die Freiheit, welche ihr das Bloggen eröffnet. Es macht Formate wie den Page-99-Test, Long Reads mit Multimedia oder auch mal eine tiefschürfende Übersetzungskritik möglich, die in den Zeitungen meistens keinen Raum finden. Auch die Möglichkeit zum Mitreden und die Überwindung der Grenzen zwischen Kritikerin und Leser sieht sie als eine der vielen Vorzüge des Mediums. Ihr Blog «Tell» geht dabei so weit, dass einige Leserkommentare auch in Rücksprache mit dem Verfasser redigiert und als Debattenbeitrag veröffentlicht werden.

Der Haken an den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten dieses neuen Mediums liegt in der fehlenden Entlöhnung der sechsköpfigen Onlineredaktion. Ein Finanzkonzept hat der Blog noch nicht. Möglichkeiten wie Paywall oder Crowdfunding gegen signierte  Bücher werden geprüft. Geisel schwebt auch ein soziales Angebot vor, bei dem man für private Lesungen oder einen Blick hinter die Kulissen einen gewissen Betrag bezahlt. All dies schwebt jedoch noch in den Wolken, begründet wird dieser profitarme Zustand mit der aktuellen Umbruchphase, in der sich der Journalismus befindet.

Gerade dieser Umbruch macht das Verhältnis von Print- und digitalen Medien zu einem Schlachtfeld der Meinungen. So sei jede neue Technologie auch eine Herrschaftsform, mit der umzugehen zuerst gelernt werden muss. Printformate mit Online-Angeboten zu ergänzen, anstatt zu konkurrenzieren, erfordere viel Kreativität und neue Ideen. All diesen Unsicherheiten und Schwierigkeiten möchte Geisel entgegenwirken und mit ihrem Blog gute Laune in die Medienwelt bringen. Die Frage stellt sich nur, wie lange diese Laune ohne Honorar anhalten wird.