Die Schweiz in den Wechseljahren

Das erste Schlendern durch die Solothurner Altstadt führt mich über die Kreuzacherbrücke zum Aussenpodium am Klosterplatz. Hier platze ich in eine Performance von Patti Basler – die wie ich im nachhinein herausfinde, zu den etabliertesten Poetinnen in der Schweizer Slamszene gehört und zur Zeit gerade mit ihrem Programm «Frontalunterricht» unterwegs ist. Aus diesem stammen auch die Texte, welche die gelernte Sek-Lehrerin aus dem Fricktal zum Besten gibt. Ganz im Stile des Poetry Slam spielt sie mit dem Klang der Sprache und bringt mit ihrem ersten Text, der eine kritische Anrede an die Schweiz ist, die Vorbeigehenden zum Innehalten und das bereits im Schatten sitzende Publikum zum Lachen. «Madame la Montagne, Sie sind in den Wechseljahren!» posaunt sie ins Mikrofon und stellt bedauernd fest: «Es ist vorbei mit den fruchtbaren Tagen.» Auch der Einzug der digitalen Medien in den Schweizer Alltag bleibt nicht unkommentiert: «Laut schreit nur noch Tripadvisor.»

Auf diese Rede an die Heimat folgen Erinnerungen an ihre massive Primalschullehrerin Fräulein Scheidegger, für die sie eine Berganalogie nach der anderen findet. Der Text endet mit dem gleichen Satz, mit dem er anfängt, nämlich der Lieblingsaussage von Fräulein Scheidegger: «Wichtig ist nicht, wer es macht, sondern dass es gemacht wird» – was mit der Fantasie endet, die Lehrerin mit einer von ihr angepriesenen Wortkette zu erwürgen.

Nach diesem Pointenfeuer hat es der nächste Redner Marcel Reber nicht leicht. Auch beim eine Generation älteren Schauspieler aus der Berner Kleintheaterszene  geht’s um Pädagogik, verknüpft mit Politik und dem Wetter – was leider ausser ein paar witzigen Wortspielen nicht so mitreissen mag. Doch gerade das weite Spektrum und die unterschiedlichen Beiträge, die hier einen Platz finden, gefällt an diesem Format des Aussenpodiums, wo sich jeder frühmorgens eintragen darf, um für 15 Minuten die kleine Bühne für sich zu haben. Lässt dabei die eine Pointe ein bisschen zu lange auf sich warten, kann der Zuhörer ungeniert weiterschlendern, was auch eine Form literarischer Basisdemokratie ist.